Manchmal erlebt man Dinge, die sind so verrückt, dass sie niemand glauben würde, wenn man nicht zufällig für Beweise gesorgt hätte. Und ich meine richtig zufällig. Denn der Beweis hat es erst aufgedeckt. Hat aufgedeckt, worum es im Lied der Nachtigall geht. Ist nicht jugendfrei. Aber lustig. Und in der Essenz auch sehr berührend. Aber lesen Sie selbst.
Ich hatte Anfang Mai 2019 an einem Seminar des Mohawk-Ältesten Thomas R. Porter teilgenommen. Es fand draußen statt, im Rahmen eines Wildnis-Camps, und ich übernachtete in meinem kleinen Zelt unter einer jungen Eiche, die selber aussah wie ein Zelt, weil ihre Zweige fast bis zum Boden reichten. Normalerweise brauche ich kein Zelt, aber es war ein bisschen regnerisch, und nass werden im Schlafsack ist nicht so meins. Und vielleicht hätte sich diese Nachtigall auch nicht direkt über mich gesetzt, wenn das Zelt nicht gewesen wäre. Sie muss so nah gewesen sein, dass ich wahrscheinlich nur den Arm hätte ausstrecken müssen, um sie berühren zu können.
Ich hatte die Nachtigallen schon am frühen Abend gehört. Sie singen im Mai und Juni auch am Tag, dann geht ihr Gesang aber ein bisschen im Chor der anderen Solisten unter. Gegen 21 Uhr verstummten alle, auch die Nachtigallen. Und ich kroch in mein Zelt und dachte, dass ich dann mal schlafe.
Das funktionierte bis exakt 23.23 Uhr. Da legte sie los. Oder er. Der Nachtigallen-Hahn. In einer Deutlichkeit und Lautstärke, dass ich nicht anders konnte, als mein Smartphone zu zücken und den Gesang aufzuzeichnen. Ich weiß, Smartphones passen absolut nicht in Wildnis-Camps mit Angehörigen der First Nations aus Kanada – aber was das Smartphone mit dem Nachtigallen-Gesang machte, war es wert.
Das Lied der Nachtigall übersetzt vom Voice-Recorder
Ich hatte im Voice-Recorder die Funktion “Sprache zu Text” eingestellt, war mir dessen aber gar nicht bewusst gewesen. Und dem Smartphone war’s egal. Es übersetzte den Vogelgesang, als wäre es eine Oper von Richard Wagner oder Guiseppe Verdi. Es übersetzte das Lied der Nachtigall in Worte. Menschliche Worte, meine Worte. Deutsche Sprache, die Sprache der Dichter und Denker. Sie wären begeistert gewesen. Das Smartphone übersetzte simultan. Ich konnte zusehen. Der Moment war magisch.
Kurz darauf habe ich mich kaputt gelacht. Was nicht einfach war, ich wollte den Vogel ja nicht verscheuchen. Aber sehen Sie selbst, ich habe ein paar Screenshots gemacht:
Wie gesagt, in Teilen nicht ganz jugendfrei. Ich habe insgesamt gute zwei Stunden aufgenommen. Und aus der Übersetzung ein kleines Gedicht gemacht. Es rührt mich immer noch.
pick
ich liebe dich
liebst du mich
jetzt jetzt jetzt
jetzt geht es nicht
ich bin ich bin ich bin
ich wir späterhat musik
aber spiel jetzt nicht
lass uns tanzen
jetzt jetzt jetzt
jetzt geht es nicht
ich liebe dich
liebst du auch michich spreche jetzt
was kommt als nächstes
nicht nichts
gib mir die zeit, zu gehen
ich liebe dich
so gut so kurz
jetzt nicht
jetzt kann ich nicht
jetzt gehe ich
Mit Tom Porter können Sie sich ebenfalls auf youtube bekannt machen.