Erinnerung – die Gesamtheit all dessen, was wir unter diesem Begriff subsumieren – bildet die Grundlage aller unserer autonomen Reaktionen. Diese haben maßgeblichen Einfluss auf unser Kommunikationsverhalten, bestimmen sie doch, wie wir uns fühlen, wenn wir kommunizieren.

Autonome Reaktionen – von A wie Aufregung über S wie Schweißausbruch und “Schmetterlinge im Bauch” bis Z wie Zornesausbruch oder Zufriedenheit – werden von Aktivitäten unseres autonomen Nervensystems hervorgerufen. Dieses autonome Nervensystem steuert das Verhalten aller unserer Organe, einschließlich unserer Drüsen, Gewebe und Nervenzellen. Was es dabei in welcher Situation wie zu aktivieren und zu deaktivieren hat, weiß unser autonomes Nervensystem aus Erfahrung, denn es gleicht ständig das Hier & Jetzt mit früheren Hier & Jetzts ab. Hat sich in einer früheren Situation eine Reaktion “seiner autonomen Meinung nach” bewährt, wird diese hier & heute wiederholt, wenn die Situation oder situative Details den früheren Gegebenheiten ähneln.

Im weitesten Sinne “unangemessen” reagieren wir immer dann, wenn unser autonomes System aufgrund von Erinnerungen (auch und gerade unbewussten) Reaktionen initiiert, die uns in der Situation jetzt & hier nicht wirklich nützen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn wir über- oder unter-reagieren, Gefahren wähnen, wo keine sind, unsere wahre Stärke und Position verkennen oder auch Gesprächspartner oder deren Macht über- oder unterschätzen. 

Erinnerung & Polyvagal-Theorie

Das Ergebnis eines “internen Erinnerungsabgleichs” ist immer ein variabler Mix aus Mobilisierung und Entspannung. Im Allgemeinen dient uns in Sachen Kommunikation ein entspannter Zustand am meisten. Aber: Unser autonomes Nervensystem kann Entspannung auf 2 verschiedene Arten und mit 2 verschiedenen Zielen herbeiführen (Polyvagal-Theorie):

  1. Der sogenannte Rest-&-Digest-Zustand (“a-soziale Entspannung”, Entspannung außerhalb eines sozialen Kontextes) dient dabei insbesondere der Verdauung, dem Schlaf und der Selbstheilung, ist aber auch dafür verantwortlich, dass Betäubung, Ohnmacht (“Totstell-Reflex”) und Tod eintreten können. 
  2. Der Zustand der “sozialen Entspannung” basiert auf dem Vorhandensein eines sozialen Kontextes, den wir auf der Grundlage unserer Erinnerungen als sicher bewerten. Und zwar autonom, also ohne dass wir mit unserem Willen oder Verstand beeinflussen könnten, was wir wie bewerten.

Wichtig dabei: Eine mehr oder weniger ausgeprägte Betäubung (“a-soziale Entspannung”) kann auch innerhalb eines sozialen Kontextes einsetzen. Das passiert dann, wenn wir den jeweiligen sozialen Kontext autonom (!) als unsicher bewerten. Wer sich inmitten von anderen schon einmal isoliert, einsam oder “wie abgetrennt” gefühlt hat, hat einen solchen Zustand schon einmal erlebt. Die “Depression” beruht darauf ebenso wie der “Burn-out”. In diesem Zustand befindet sich der Betroffene in einer Art unvollständigem Totstell-Reflex. Der Fachbegriff dafür ist “funktionaler Freeze-Zustand”. Das englische Wort “Freeze” (Einfrieren) nimmt Bezug darauf, dass in diesem Zustand “das Leben eingefroren” ist und mithin insbesondere die Gefühle. 

Erinnerung & Neurozeption

In Sachen Entspannung funktioniert Kommunikation am besten, wenn wir uns im Zustand “sozialer Entspannung” befinden. Nur dann sind wir einerseits wach, konzentriert und kreativ und andererseits nicht damit beschäftigt, uns in irgendeiner Weise zu verteidigen. Sobald unser ‘System’ im Rahmen von Kommunikation mit “Verteidigung” beschäftigt ist, fließt unsere Lebensenergie mehr oder weniger in Kampf oder Flucht (Mobilisierung) und Freeze (Entspannung im “unvollständigen Totstellreflex”). 

Die Entscheidung darüber, ob und wie wir in einer Situation mobilisiert oder in der einen oder anderen Weise entspannt werden, wird innerhalb unseres autonomen Nervensystems auf der Grundlage (s)einer eigenen, autonomen Wahrnehmung und Reizverarbeitung getroffen. Diese wird Neurozeption genannt und integriert den oben beschriebenen “internen Erinnerungsabgleich”. 

Da es sich bei unserem Nervensystem nicht um ein digitales Entweder-Oder-System handelt, sondern um ein analoges, greifen Mobilisierung und Entspannung in vielfältigster Weise und unterschiedlichster Ausprägung ineinander. Auf diese Weise entsteht nicht nur unser individuelles Verhalten insgesamt, sondern auch gerade unser individuelles Kommunikationsverhalten. Da kein Nervensystem einem anderen gleicht, verfügt jeder über einzigartige Erinnerungen und ebenso einzigartige Reaktionsmuster. Das macht Kommunikation so spannend und bisweilen auch so schwierig: Wir senden nicht nur auf unserer ganz eigenen Frequenz, wir empfangen auch auf einer solchen. Und alles interpretieren wir nicht nur mit unserem schlauen Verstand, sondern in erster Linie und maßgeblich im “internen Erinnerungsabgleich” und unter autonomer (!) Berücksichtigung sämtlicher situativen Details. Wie Sie auf der Startseite vielleicht gelesen haben, beläuft sich deren Zahl auf 40 aus 11 Millionen Sinneseindrücken.

Mobilisierung und Entspannung im Rahmen von Kommunikation

Der Grafik können wir entnehmen, in welcher Weise wir gleichsam von einem eigenständigen, autonome Wesen in unserem Inneren, das repräsentiert wird durch unser autonomes Nervensystem, innerlich und äußerlich bewegt werden – auch und besonders, wenn wir kommunizieren. Sämtliche “Zwickmühlen”, “Schwierigkeiten” und “Scheiß-Situationen” in Sachen Kommunikation basieren darauf. “Wir” reagieren dabei auch auf unsere bloßen Gedanken und inneren Bilder, denn unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen Realität und Fiktion. Das eigenständige, autonome Wesen in unserem Inneren bestimmt, wie wir reagieren können. Und je mehr unsere Neurozeption im “internen Erinnerungsabgleich” uns oder die Erfüllung unserer situativen Werte und/oder Bedürfnisse in Gefahr sieht, desto weniger gut gelingen uns (oder diversen Kommunikationspartnern) rationales Denken, kühler Kopf, Impulskontrolle und Selbstbeherrschung.

Wenn Sie Ihrem “internen Erinnerungsabgleich” auf die Spur kommen und Ihre Kommunikation mit sich selbst und anderen neu gestalten möchten, empfiehlt sich für Sie ein Mix aus neurosensorischem Training und GfK. Sprechen Sie mich gern an. 

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