Wolfsforscher wie Günther Bloch werden nicht müde, es immer wieder zu betonen: Wölfe zu töten, um sie von der Jagd auf Nutztiere abzuhalten, ist keine gute Idee. Das bestätigen nun auch Forscher der Washington State University. Ihre in der Zeitschrift PLoS One veröffentlichte Auswertung zeigt, dass Schießen und Fallenstellen ein Jahr später zu mehr toten Schafen und Rindern führt – nicht zu weniger.

Untersucht wurde ein Zeitraum von 25 Jahren (1987 – 2012) bezogen auf Idaho, Montana und Wyoming. Dabei setzten die Forscher die jährliche Wolfssterblichkeit zur Zahl der jeweils im Jahr registrierten Nutztierübergriffe ins Verhältnis. Das Ergebnis ließ staunen: Denn je mehr Wölfe in einem Jahr getötet wurden, desto höher war die Zahl der Nutztierangriffe durch Wölfe im Jahr darauf. Der Trend setzte sich fort, bis 25 Prozent der Wölfe in einem Gebiet getötet worden waren. Erst, wenn die Wölfe anschließend weiter dezimiert wurden, nahm die Zahl der Nutztierangriffe tatsächlich ab.

Jagd auf Wölfe im Dienste der “Nachhaltigkeit”

Allerdings: Eine permanente Sterblichkeitsrate von über 25 Prozent unter den Wölfen in einem Gebiet kann von den Tieren nicht mehr ohne weiteres ausgeglichen werden. Zwar gibt es Beispiele aus Nordamerika, wo nachhaltig bejagte Wolfspopulationen eine jährliche Entnahme von bis zu 30 Prozent tolerieren (Skript Leben mit Wölfen, Seite 20). Wenn nachhaltig aber bedeutet sicherzustellen, dass die Wölfe Populationsverluste ausgleichen können und damit nicht (wieder) dem Aussterben in einem Gebiet preisgegeben werden, ist es kontraproduktiv, Übergriffe auf Nutztiere dadurch verringern zu wollen, dass man Wölfe „nachhaltig“ bejagt. Denn wie die vorliegende Untersuchung zeigt, steigt die Zahl der Nutztierübergriffe ja gerade an, wenn nachhaltig auf den Wolf Jagd gemacht wird. Sie sinkt erst, wenn der Jagddruck so groß ist, dass die Wölfe die Populationsverluste eben nicht mehr ausgleichen können.

Wolfs-schlau geht anders

Warum sich Wölfe ausgerechnet dann verstärkt Nutztieren zuwenden, wenn sie bejagt werden, erklären die Forscher mit der Zerstörung des Sozialgefüges im Rudel infolge der Tötung eines Rudelmitglieds. Normalerweise wandern die Nachkommen eines reproduzierenden Wolfspaares ab, wenn sie selbst geschlechtsreif werden. Die Nachkommen, die (noch) bleiben, helfen bei der Aufzucht ihrer jüngeren Geschwister, pflanzen sich selbst aber (zunächst) nicht fort. Diese vergleichsweise sehr jungen Tiere, die mit der eigenen Fortpflanzung unter idealen Bedingungen „noch warten würden“, nehmen aktiv an der Fortpflanzung teil, wenn das Sozialgefüge, in dem sie leben, zerstört wird – etwa durch Jagd.

Genau dieses Phänomen (das sich übrigens bei vielen Beutegreifer-Spezies beobachten lässt) ist es aber gerade, das sicherstellt, dass hohe Populationsverluste überhaupt schnell ausgeglichen werden können. Zugleich hat man dann aber auch eine höhere Zahl sehr junger, unerfahrener „Familienoberhäupter“, die gar keine andere Wahl haben, als sich unter Nutztieren leichte Beute zu suchen. Mit einem Bachelor im Beutefang lässt sich nun mal keine Masterprüfung an schwierigerem Wild bestehen, wenn dem jungen Wolfspaar auch noch die ersten Welpen am Rockzipfel hängen, ohne dass es auf die Unterstützung eines Wurfs aus dem Vorjahr zählen kann.

Originalstudie: PLoS One

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert